Rio Reiser
Rio Reiser (* 9. Januar 1950 in Berlin-Tiergarten; † 20. August 1996 in Fresenhagen, Nordfriesland; bürgerlich Ralph Christian Möbius) war Sänger, Musiker, Komponist, Texter und Schauspieler. Seinen Künstlernamen Rio Reiser nahm er offiziell 1978 an, als er in dem Film Johnny West die Hauptrolle spielte. Er war Gründungsmitglied von Ton Steine Scherben. Am 6. Oktober 2019 hat ein Musical im Schillertheater Premiere, das den Lebensweg Rio Reisers nachzeichnet.
Biografie[Bearbeiten]
Die Berufstätigkeit seines Vaters brachte zahlreiche Umzüge für die Familie mit sich. Stationen waren Traunreut in Oberbayern, Nürnberg, Brühl bei Mannheim, Stuttgart und Rodgau/Nieder-Roden südöstlich von Offenbach, wo er eine Fotografenlehre begann. In Nieder-Roden folgten auch die ersten Schritte als Musiker mit den Beatkinks. Rio Reiser hatte sich autodidaktisch Gitarre und Klavier beigebracht. 1966 bricht er die Lehre ab, meldet sich am Offenbacher Moritz Döbert Konservatorium an und lernt Cello. Zu Beginn dieses Jahres hatte er R.P.S. Lanrue, der seinerzeit Schlagzeug spielte, kennengelernt, mit dem ihn eine lange musikalische Partnerschaft verbinden sollte.
Zusammen mit seinem Bruder Peter als Texter schrieb er schon damals Musik für das Mysterien und Wander TEATER von Blalla W. Hallmann[1]. Als sein Bruder Gert 1967 nach Berlin gegangen war, folgte ihm Rio. Es schloß sich ein weiterer Versuch auf dem Gebiet des Musik-Theaters an, die Beat-Oper Robinson 2000. Die Premiere fand vier Wochen nach dem 2. Juni statt, dem Tag, an dem der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen worden war. Für das Stück, das im Theater des Westens aufgeführt wurde, hatte man prominente Darsteller gewinnen können: David Garrick[2], Peter Horton[3] und Marion Maerz[4]. Der Produktion war kein Erfolg beschieden und Bruder Gert musste einen Offenbarungseid leisten.
1968 schrieb Rio Reiser die Musik für eine Goethe-Revue von Robert Wolfgang Schnell[5] mit dem Titel Hanswurstiaden nach Goethes Jahrmarktsfest zu Plundersweilern[6]. Im gleichen Jahr gründete Rio mit seinen Brüdern die Theatergruppe Hoffmanns Comic Teater, man beachte die Schreibweise ohne "h". Finanziert durch das ZDF und die UFA hatte das erste Programm Okkollo am 15. Mai 1968 im Audimax der TU Premiere. Weitere Projekte sind ein Fernseh-Musical für das ZDF, Drehorgelwalzenwelthit, und 1969 das Rockmusical Rita & Paul.
Als Rio 1970 den Tontechniker Klaus Freudigmann kennen gelernt hatte, reifte die Idee einer eigenen Band. Proben fanden im Gebäude des Ballhaus Rixdorf statt und man machte erste Aufnahmen für eine selbst produzierte Platte. Aber noch hatte die Band keinen Namen. Schwarze Wolke und V.E.B. Ton Steine Scherben waren die Alternativen. Nach einer längeren Diskussion ließ man das VEB weg.
Während seiner Zeit mit Ton Steine Scherben betägtigte sich Rio Reiser als Komponist für Film und Theater. 1984 wurde George Glueck[7] Rio's Manager. Im gleichen Jahr erschien die erste Solo-Single Dr. Sommer, produziert von Annette Humpe, die auch einen Vorschuss von der Plattenfirma vermittelt hatte. 1985 wurde die Band aufgelöst. Man hat jede Menge Schulden. Es kursieren Summen zwischen 200.000 und 500.000 D-Mark.
1986 erschien das erste Solo-Album Rio I.[8], produziert von Annette Humpe und Udo Arndt. Ein Teil der Titel waren Demos, die für ein weiteres Album der Scherben gedacht waren. Andere gehörten schon früher zum Bühnen-Repertoire der Band. Aufgenommen in den Audio Studios mit bekannten Musikern, wie Curt Cress[9], Peter Weihe[10] und Ramesh B. Weeratunga(† 2017), enthielt es mit König von Deutschland einen publikumswirksamen Titel. Außerdem verwendeten die Grünen Alles Lüge in ihrem Wahlkampf zum Bundestag 1987. Immer noch dabei als Musiker und Kompagnon R.P.S. Lanrue. Rio engagierte sich für die Anti-AKW-Bewegung in dem er sich am Anti-WAAhnsinns-Festival [11] beteiligte.
Die nächste Platte Blinder Passagier[12](1987) erreichte nicht den Erfolg von Rio I. Auf ihr finden sich Lieder wie Übers Meer, ein echtes Seemannslied, Laß mich schlafen, ein Kinderlied und Stiller Raum, ein Weihnachtslied. Die folgende erfolgreiche Tournee hatte ihren Höhepunkt mit zwei Konzerten in der Werner-Sellenbinder-Halle in Ost-Berlin. Bei dieser Gelegenheit lernte Rio Reiser Lutz Kerschowski[13] kennnen, der mit seiner Band im Vorprogramm spielte. Daraus ergab sich später Freundschaft und Kerschowski wurde ein Mitglied von Rio's Band. Heute bemüht er sich um den musikalischen Nachlass[14].
1989 schrieb Rio Reiser Musik für den Tatort Der Pott[15], in dem er zu Beginn einen Auftritt mit Band hat. Neues musikalisches Land betrat er 1990 mit seinem dritten Album *** (Sternchen), produziert von Udo Arndt und Reinhold Heil, mit jeder Menge elektronischer Klänge. Er wurde im gleichen Jahr Mitglied der PDS und gestattete der Partei, seinen König von Deutschland im Bundestagswahlkampf zu benutzen. In dieser Zeit begann eine Zusammenarbeit mit Marianne Rosenberg[16], für die er einige Texte verfasste. Im Dezember 1992 gab es beim Konzert Heute Die Morgen Du in Frankfurt am Main einen gemeinsamen Auftritt[17].
Davor war 1991 das Album Durch die Wand erschienen, das eine Hinwendung zu rockigeren Titeln bedeutete und wieder von Udo Arndt produziert worden war. Eine geplante Tournee musste wegen der angegriffenen Gesundheit von Rio Reiser abgesagt werden. Aber im November trat er im Schmidt-Theater in Hamburg auf. Den Chef Corny Littmann hatte er schon in den 70er Jahren kennen gelernt, als zwei Platten Mannstoll(1977) und Entartet(1978) mit dem Schwulen-Kabarett Brühwarm[18]. entstanden waren.
1992 brachte einen Klinik-Aufenthalt. Doch schon im Herbst stand er wieder auf der Bühne. Als Hauptdarsteller hatte er mit Ein ungelegener Besuch[19]. am 6. September im Berliner Renaissance-Theater Premiere.
1993 folgte das fünfte Solo-Album Über alles, Produktion Annette Humpe. Ausserdem komponierte er Musik für Schillers Don Carlos am Schillertheater Berlin.
1994 wurde in Chemnitz das Musical Knock out Deutschland![20] mit der Musik von Rio Reiser uraufgeführt. Es erscheint seine Autobiografie und eine Best-Of-CD.
Für den Tatort Im Herzen Eiszeit(1995)[21] schrieb er nicht nur die Musik, sondern spielte auch die Hauptrolle. Rio´s sechstes (letztes) Solo-Album Himmel & Hölle, produziert von ihm und Udo Arndt, kommt auf den Markt.
1996 brachte eine letzte Rolle als Popstar Kevin Kaiser in der Folge Liebeslied für eine Leiche[22] der ARD-Serie Die Gang. Nach seinem Tod wurde er, ermöglicht durch eine Sondergenehmigung, auf dem Grundstück in Fresenhagen bestattet. 2011 wurde wegen der Schließung des Rio-Reiser-Hauses umgebettet.[23]. Sein Grab ist jetzt auf dem Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg[24] und hat seit 2021 den Status Berliner Ehrengrab.[25]
Weblinks[Bearbeiten]
- Der Alte St.-Matthäus-Kirchhof
- Homepage Rio Reiser, die von seinen Brüdern betrieben wird
- Rio Reiser bei Wikipedia
- Peter Möbius bei Wikipedia
Diskografie[Bearbeiten]
Berliner Konzerte mit Rio Reiser[Bearbeiten]
Film- und Theatermusik[Bearbeiten]
- 1971 Musik für den Film Eine Prämie für Irene
- 1972 Musik für den Fernsehfilm Schulkampf (Buch: Dieter Bitterli)
- 1972 Musik zum Theaterstück Moritz Tassow (Theater am Turm, Frankfurt am Main)
- 1975 Musik zum Theaterstück: Feuerzirkus (Hoffmanns Comic Teater)
- 1975 Musik zum Theaterstück: Struwwelpeter Revue (Hoffmanns Comic Teater)
- 1976 Musik zum Film: Oma-Killer (Buch: Kramer)
- 1976 Musik zum Theaterstück Paranoia (mit Rote Rübe)
- 1977 Musik zum Theaterstück Männercharm von (Brühwarm)
- 1977 Musik zum Theaterstück Liebe, Tod und Hysterie (Rote Rübe)
- 1978 Musik zum Film Der achte Tag (Buch: Peter Möbius)
- 1978 Musik zum Theaterstück Nymphomannia (Brühwarm)
- 1978 Musik zum Theaterstück Transplantis
- 1978 Musik zum Film Nacht mit Chandler (Buch: Noever)
- 1978 Musik zum Film Willy und die Kameraden (Buch: Kopetzky)
- 1979 Musik zum Theaterstück Meschugge (Rote Rübe)
- 1980 Musik zum Film Total vereist (Buch: Noever)
- 1981 Musik zum Theaterstück Märzstürme (Hoffmanns Comic Teater)
- 1985 Musik zum Film Geschichten aus 12 und einem Jahr (Buch: Stelzer)
- 1985 Musik zum Film Der Doppelgänger (Buch: Stelzer)
Würdigungen[Bearbeiten]
Das Grab auf dem Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg hat seit 2021 den Status Berliner Ehrengrab.
Seit Sommer 2022 trägt der vorherige Heinrichplatz in Kreuzberg den Namen Rio-Reiser-Platz.
Literatur[Bearbeiten]
- Rio Reiser: König von Deutschland. Von Ton Steine Scherben bis in die Hitparaden. Erinnerungen erzählt von ihm selbst und Hannes Eyber. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994. ISBN 3462023381
Nach den beiden Konzerten in Ost-Berlin erschien im Dezemberheft der DDR-Zeitschrift Melodie & Rhythmus ein doppelseitiges Porträt mit Interview.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Wikipedia Artikel Blalla W. Hallmann Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel David Garrick Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Peter Horton Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Marion Maerz Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Robert Wolfgang Schnell Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Jahrmarktsfest zu Plundersweilern Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel George Glueck Abgerufen am 17. Februar 2013
- ↑ Discogs Eintrag Rio I. Abgerufen am 18. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Curt Cress Abgerufen am 18. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Peter Weihe Abgerufen am 18. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Anti-WAAhnsinns-Festival Abgerufen am 18. Februar 2013
- ↑ Discogs Eintrag Blinder Passagier Abgerufen am 18. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Lutz Kerschowski Abgerufen am 19. Februar 2013
- ↑ Pressespiegel auf der Rio Homepage Abgerufen am 19. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Der Pott Abgerufen am 19. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Marianne Rosenberg Abgerufen am 20. Februar 2013
- ↑ Wikipedia Artikel Heute Die Morgen Du! Abgerufen am 20. Februar 2013
- ↑ Biografie bei Germanrock Abgerufen am 11. Dezember 2022
- ↑ Biografie bei Germanrock Abgerufen am 11. Dezember 2022
- ↑ Rezension in Die Zeit Abgerufen am 20. Februar 2013
- ↑ Tatort Forum Abgerufen am 20. Februar 2013
- ↑ IMDB englisch Abgerufen am 20. Februar 2013
- ↑ Artikel in der TAZ Abgerufen am 23. Februar 2013
- ↑ Artikel im Tagesspiegel Abgerufen am 23. Februar 2013
- ↑ Spiegel online Abgerufen am 26. August 2021