Anlage:Emtidi
Das ist die kurze Geschichte, von zwei Hippies. Der Kanadierin Dolly Holmes und des Deutschen Maik Hirschfeldt, die sich 1970 in London zufällig trafen. Holmes hatte 1968 (als Dolly Collins?) angeblich beim Album “Hangman's Beautiful Daughter“ der schottischen Incredible String Band mitgewirkt. Holmes und Hirschfeldt gingen zusammen nach Berlin, um im Ensemble des Musicals “Hair“ aufzutreten. Kurz darauf gründete das Paar das Folk-Duo Emtidi und begann in den Clubs und Untergrundläden des damaligen West-Berlin aufzutreten. Ihr Repertoire bestand aus traditionellen, akustischen Folksongs. Die Gruppe wurde “dem Krautrock zugerechnet, und gehörte da auch irgendwie hin, obwohl nicht Rock, sondern eher Krautfolk ihre Domäne war“ (BABYBLAUE SEITEN).
Emtidis “Wurzeln lagen ganz offensichtlich im traditionellen Folk und in der Musik von Bob Dylan oder Donovan. Aber trotzdem konnte man ihnen eine gewisse Originalität nicht absprechen“ (ALLMUSIC), denn “stilistisch waren sie irgendwo zwischen der kosmischen und der psychedelischen Bewegung angesiedelt. Obwohl als Duo unterwegs, waren sie “in der Lage einen vollen und vollständigen Sound zu kreieren, da Hirschfeldt Gitarren, Flöte, einige Keyboards und Vocals lieferte und Holmes den Hauptgesang und den größten Teil der Keyboard-Arbeit beisteuerte“ (PROGARCHIVES). Rolf-Ulrich Kaiser, Inhaber der “Ohr“-Labels und später “Kosmische Kuriere“, hörte sie spielen und bot ihnen spontan und enthusiastisch einen Plattenvertrag an.
Für das selbstbetitelte Debüt, dass in der zweiten Jahreshälfte 1970 im “Xenophone Studio“ in Griesheim (Nähe Darmstadt) aufgenommen worden war, hatte sie “im Studio einen sphärischen Folk-Pop entwickelt“ (ROCKLEXIKON DEUTSCHLAND). Die “erste Seite enthielt fragilen, naiven und relativ einfachen Acid Folk, während die zweite Seite mit dem bekifften Titel 'Let the Joint Go Round' eröffnete und mit dem schönen langen Song 'Flutepiece' endete. Der “männlich-weibliche Duett-Gesang, durchweg englisch, war angenehm anzuhören“ (HAMBURGER MORGENPOST). Ein “großartiges Debütalbum mit charmantem folkloristischem Material. Akustische Gitarren und wunderschöne Flötenarrangements umgaben die schönen Duettstimmen von Hirschfeldt und Holmes und machten dieses Album zu einem Album der Freude für die Hörer. Diese LP wurde nicht nur von Kraut-Rockfans, sondern auch von allen, die sich mit Folk von Pentangle, Bridget St. John u.a. beschäftigten, gekauft“ (FORCED EXPOSURE).
Das zweite Album "Saat" (1972) avancierte, auch “Dank der Unterstützung von Dieter Dierks (key, mel, b perc), zu einem Kleinod des Krautrocks“ (KRAUTROCK MUSIKZIRKUS) – zu einem “wahren Progressive-Folk-Meisterwerk“ (COSMIC EGG). Die “Möglichkeiten der Mehrspuraufnahme ermöglichten es dem Duo, den Musikstil auf 'Saat' zu erweitern. Das Album gehört zu den wenig bekannten Meisterwerken - eine einzigartige Mischung aus Folk, Art Rock und Psychedelic“ (ALLMUSIC), die “manchmal an Gruppen wie Fairport Convention oder Steeleye Span erinnerte“ (COSMIC DREAM). Die Aufnahme mit dem erfahrenen Ton-Ingenieur Dierks ermöglichten es Emtidi, ihren Musikstil auf “Saat“ auszubauen. Das Ergebnis war eine “schillernde, üppig-kosmische Folk-Reise mit Akustikgitarren sowie E-Piano, fragilen engelhaften Frauenstimmen und Mellotron - unterbrochen von gelegentlichen Acid-Gitarrensoli. Ein kosmisches Folk-Gebräu der raffinierteren und magischeren Art, dass eine kosmische Atmosphäre ähnlich der von Klaus Schulze oder Ash Ra Tempel erzeugte und ein Album kreierte, das als eines der schönsten kosmischen Wanderungen aller Zeiten bezeichnet werden konnte“ (FORCED EXPOSURE). Das Resultat “war ein recht eigenes Gemenge an Elektronik, symphonischen Tastenkonstrukten, folkigem Geschrammel und meist durchaus eindrücklichem Gesang, dem immer ein sympathischer holprig-krautiger Charme anhing. 'Saat' bot eine originelle Mischung aus Folk und krautigem Prog und ist heute so etwas wie ein Kraut-Klassiker“ (BABYBLAUE SEITEN).
Leider verließ Dolly Holmes die Band und kehrte nach Kanada zurück. Maik Hirschfeldt zog in ein Dorf in der Nähe von München und bildete mit Rudi Haunreiter (dr), Georg Karger (b) und Franz Müller eine neue Besetzung. Obwohl sie “einige Jahre am Material für eine geplante dritte LP gearbeitet hatten, absolvierten sie keinen weiteren Auftritt und lösten sich schließlich auf - auch weil sie nie einen geeigneten Ersatz für Dolly Holmes gefunden hatten“ (ALLMUSIC).
Maik Hirschfeldt zog sich danach aus der Musikszene zurück, organisierte Rallyes in/durch Afrika und spielte nur manchmal nur zum Spaß Gitarre. Einige der anderen Musiker tauchten in der Jazz-Rock-Band Niagara auf und waren immer noch in verschiedenen Jazz-Bands aktiv. Rudi Haunreiter agierte später als Schlagzeug bei Sparifankel, auf einigen Alben des Ambient-Synthesizer-Spielers Peter Frohmader und war Mitglied von dessen Gruppe Nekropolis.
Burghard Rausch : aus Kraut! - Teil 4, erschienen bei Bear Family Records, Best.-Nr. BCD17624