Anlage:17. März 2015 Element of Crime

Aus Rockinberlin
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  • Bericht von H.P. Daniels im tagesspiegel vom 18. März 2015

"Element of Crime: Konzert im Tempodrom: Scheiß auf die Seemannsromantik
Ein rhythmisches Hot-Stuff-Riff, schotteriger Gesang und ein gefühlvoll knatteriger Sven Regener: Element of Crime geben im Tempodrom ein melancholisches, poetisches Konzert.

"Ja, sehr stark … guten Abend!" sagt Sven Regener im ausverkauften Tempodrom. Und meint damit erstmal, einer Tradition von Element of Crime folgend, deren persönlich auserwähltes Vorprogramm: Apples and Space. Kaum hat das junge Keyboard-Gitarren-Paar mit Unisonogesang nett und lagerfeurig ein paar elegische Kindermelodien rausgeschraddelt, schreiten stolz und entschieden mit Winkewinke die Hauptakteure zu Werke.

Element of Crime, denen oft nachgesagt wird, sie machten seit ihren Anfängen vor dreißig Jahren eigentlich nichts mehr Neues, verblüffen schon mit den ersten Tönen. Mit einem überraschend neuen Arrangement von "Damals hinterm Mond". Ein rhythmisch klingelndes Hot-Stuff-Riff aus Jakob Iljas funkig funkelnder Telecaster, sowie trefflich ergänzende Melodiebögen des Saxofonisten Rainer Theobald zu Regeners schotterigem Gesang, verleihen dem Song von 1991 neue Kraft, Tiefe und Bedeutung. Keineswegs hinterm Mond oder irgendwo sonst stehengeblieben ist diese Band, die mit dem Lauf der Jahre offensichtlich und hörbar immer mehr zusammengewachsen ist, und deren einzelne Mitglieder inzwischen musikalisch traumwandlerisch aufeinander eingeschworen sind. Ohne dabei je in unterkühlter Routine zu erstarren. Trotz all der Jahre erstaunen EoC immer wieder mit fabelhaften neuen Songs, die es jederzeit aufnehmen können mit den großen der Vergangenheit.

Gitarren sind das tragende Moment dieser Musik
Auch die wunderbaren Stücke des 13. Albums "Lieblingsfarben und Tiere", das sie im Konzert komplett spielen. "Immer so weiter". Es klingt kantig wie Tom Waits. Regener im knittrig dunklen Anzug unter glatten, sich kreuzenden Lichtstrahlen singt gefühlvoll knatterig, während Iljas Gitarre eine Zirkuskapelle simuliert. Oder an anderer Stelle mit Marc Ribot'schen Schrägheiten jegliches Wegrutschen ins Gefällige verhindert. Überhaupt sind die Gitarren das tragende Element dieser Musik. Neben den melancholischen Gesangsmelodien und Regeners poetischen Texten, in denen er immer wieder neue, nicht alltägliche sprachliche Wendungen und Verbindungen aus dem Alltag findet.

"Vielen, vielen Dank!" sagt er nach jedem Song. Und erzählt wie mühsam es für ihn war, heute Abend mit öffentlichen Verkehrsmitteln von zuhause zum Tempodrom zu kommen. Immer irgendwelche Haken im Leben. Wie in seinen Texten. Einen Song widmet er Irene Mössinger, die bei der Gründung des Tempodroms einst ihr gesamtes Vermögen verloren hatte. Widrigkeiten im Leben wie in den Songs. So ist das bei Regener. Aus der Trompete bläst er silbrig glitzernde Mariachi-Melodien hoch in die Hallenkuppel. Und unten wogen im sanften Rhythmus die bezauberten Zuhörer wie Halme unter frischer Brise. Ilja wechselt zu tiefem Gitarren-Twang oder scharfen Bottleneckklängen. Unter "Dunkle Wolken" schuckeln sie dahin zum Schienenschlag eines Zuges zwischen Blues und Country. Elegante Doublestops. Und immer wieder dazwischen das Saxophon oder auch Klarinette als ergänzende Farbe. Jazzeliges in "Nightmare" mit gestopfter Miles-Davis-Trompete und frei fließendem Sax in toller Dynamik.

Ganz der Regener: "Scheiß doch auf die Seemannsromantik"
Von unten gestützt und gehalten wird das ganze stabile Klanggebäude der vielen unterschiedlichen musikalischen Ebenen von der soliden Basis des sitzenden Bassisten Dave Young mit stehenden Tönen sowie der exzellent präzisen Schlagwerkerei des Drummers Richard Pappik. Im zweiten Zugabenblock verlässt der dann sein Schlagzeug, lässt eine traurige Mundharmonikamelodie in den Saal wehen und Regener singt melancholisch und schön: "Scheiß doch auf die Seemannsromantik. Ein Tritt dem Trottel, der das erfunden hat. Niemand ist gern allein mitten im Atlantik. Diesmal, mein Herz, diesmal fährst du mit." Und ganz zum Schluss noch, nach zwei Stunden und 25 Liedern: "Über Dir, über mir: dieselben Sterne". Rauschender Jubel. Berauschendes Konzert."